- Jupiter, Janus und Herkules - Alte und neue Götter der Römer
- Jupiter, Janus und Herkules - Alte und neue Götter der RömerBei allem Traditionsbewusstsein waren die Römer immer bereit, fremde Götter anzuerkennen und sie zu ihren eigenen zu machen. Man kennt heute die Namen von etwa 450 Göttern und Göttinnen, die von den Anfängen Roms bis in die Spätantike verehrt wurden: Manche, wie die kleineren Agrargottheiten, gerieten mit der Verstädterung der Bevölkerung in Vergessenheit; viele änderten in Folge der veränderten historischen Situation ihr Wesen und wechselten oder erweiterten, wie die unterschiedlichen Beinamen zeigen, ihre Zuständigkeiten, und immer wieder wurden neue Mächte in das römische Pantheon aufgenommen.Die Einführung fremder Götter bzw. die Umgestaltung der alten Gottheiten geschah zu ganz verschiedenen Zeiten und auf ganz unterschiedliche Weisen. Besonders wichtig war zunächst der Einfluss der Etrusker auf die römische Religion. Schon im ältesten Festkalender finden sich mit Saturn und Volturnusetruskische Götternamen. Gegen Ende der Königsherrschaft der Tarquinier in Rom soll der Jupiter-Tempel auf dem Kapitol begonnen worden sein, und unter ihrem Einfluss wurden die etruskischen Stadtgöttinnen Juno und Minerva zusammen mit Jupiter zu den Schutzgottheiten des Staates.Viele neue Gottheiten wurden aus Latium übernommen: Man holte sozusagen die unbekannten Mächte der unterworfenen Städte nach Rom, um sich ihres Beistands für den eigenen Staat zu versichern. In einigen Fällen führten konkrete Krisen zur Aufnahme neuer Götter: Die Einführung des Kultes für Ceresals Demeter, für Liber als Dionysos und Libera als Kore ging auf eine Hungersnot zurück, und ebenfalls im 5. Jahrhundert gelobte man Apoll einen Tempel, damit er einer Seuche ein Ende setze.Während die Übernahme dieser Kulte aufgrund von Senatsbeschlüssen, also auf staatliche Initiative hin, erfolgte, gab es auf der anderen Seite den privaten Import: In Rom neuansässige Bevölkerungsgruppen verehrten weiter ihre heimischen Götter, bevor diese in den offiziellen, Kontrolle gewährenden Staatskult eingegliedert wurden. Vermutlich gelangte so zum Beispiel Merkur als Gott des Handels und der Kaufleute in den römischen Götterhimmel. Daneben führte das Aufkommen neuer sozialer Schichten und Berufe zu Neuerungen. Minerva etwa wurde im Bewusstsein des Volkes von der Stadtgöttin zur Patronin der Handwerker.Nach dem etruskischen Einfluss war vor allem der griechische für die römische Götterwelt bestimmend. Die Sibyllinischen Bücher, die um 500 v. Chr. eingeführt wurden, hatten daran einen entscheidenden Anteil. Sie waren in Hexametern abgefasst und wurden einer phrygischen Prophetin, der Sibylle, die in der griechischen Kolonie Cumae in Unteritalien lebte, zugeschrieben. Die Orakelsprüche der Sibylle enthielten keine Weissagungen, sondern Ritualvorschriften wie Anweisungen für Opfer, Prozessionen, Götterbewirtungen, Spiele und die Einführung neuer Kulte. Im Jupiter-Tempel auf dem Kapitol aufbewahrt, wurden sie in staatlichen Notzeiten, aber nur auf Senatsbeschluss, von einem eigenen Priesterkollegium eingesehen und nach den notwendigen Maßnahmen zur Abwendung des Unheils befragt. Diese Maßnahmen mussten wiederum vom Senat genehmigt werden. So sicherte sich der Staat auch hier die Kontrolle über die Religion. Mit der Einführung der Sibyllinischen Bücher war der Weg für die Aufnahme der griechischen Gottheiten in Rom vorgezeichnet: Auf den Rat der Sibylle hin wurde beispielsweise anlässlich einer Epidemie der schlangengestaltige Heilgott Äskulap 293 v. Chr. direkt aus Epidauros nach Rom geholt.Die Nähe des griechisch besiedelten Unteritalien und das Bekanntwerden der griechischen Literatur führten dazu, dass im Lauf der Zeit sehr viele Götter mit griechischen Vorbildern soweit wie möglich gleichgesetzt wurden. Am Ende des 3. Jahrhunderts war dieser Prozess abgeschlossen; damit einher ging auch eine Veränderung der Kultformen. Durch die Einführung allgemeiner Bittfeste, öffentlicher Götterbewirtungen und Prozessionen bei den Spielen, bei denen man Götterbilder mitführte, wurde nun auch das ganze Volk stärker miteinbezogen. Gefördert wurde diese Entwicklung durch die schweren Kriege, politischen Rückschläge und das Anwachsen der städtischen Bevölkerung. Die allgemeine Verunsicherung weiter Kreise hatte religiöse Bedürfnisse geweckt, denen der offizielle, nur von den Priestern vollzogene Kult nicht mehr genügte.Bezeichnend für den Wandel war der weit verbreitete Kult des im 6. Jahrhundert aus Großgriechenland nach Rom übernommenen Herkules, der ursprünglich wohl ein Schutzgott reisender Kaufleute war. Zwar gab es seit 312 v. Chr. einen staatlichen Kult, doch wichtiger war der private: Zum ersten Mal ging es nun um das Wohl des Einzelnen, nicht um das des Staates, wenn Geschäftsleute den Zehnten ihres Gewinns opferten, um sich den Gott persönlich zu verpflichten. Anders als bei den kalendarisch festgelegten religiösen Festen waren es jetzt individuelle Anlässe, die den Menschen in einen direkten, nicht mehr priesterlich vermittelten Kontakt mit der Gottheit treten ließen. Auf diese Veränderung der emotionalen Bedürfnisse antworteten später vor allem die Mysterienreligionen, bevor sie ihrerseits vom Christentum verdrängt wurden.Dr. Ursula Blank-SangmeisterGiebel, Marion: Das Geheimnis der Mysterien. Antike Kulte in Griechenland, Rom und Ägypten. Taschenbuchausgabe München 1993.Simon, Erika: Die Götter der Römer. München 1990.
Universal-Lexikon. 2012.